Heute morgen hat mich jemand auf diesen Artikel der NZZ aufmerksam gemacht und gefragt, ob da was dran ist. Dort heißt es: „Viele dürften sich bei nächster Gelegenheit nach Alternativen umsehen, Java hinter sich lassen.“ Und diverse Medien schreiben, dass James Gosling zu der Meinung: „in Oracle’s hands, Java is doomed“ steht oder generell eine signifikante Gefahr für Java durch Patente sehen.
Nunja, Oracle versucht mit der Klage gegen Googles Android/Dalvik, als neuer Lizenzinhaber von Java nun Kasse zu machen, während Sun die betreffenden Patente zum Wohle Javas (und zum Unwohle der eigene Kasse) lieber im Schrank hat liegen lassen. Ich denke, das ist nur der Anfang, denn die Lizenz-Einnahmen-Gelüste sind im JEE-Umfeld sicherlich noch um einiges stärker als im Android-Umfeld. Mit einer Klage dieser Art geht das aber nicht, denn in diesem Fall gegen Google geht es darum, dass Google bestimmte Mechanismen, auf die Oracle jetzt Patente hat, innerhalb der Dalvik-VM nachgebildet hat. Aber niemand dürfte Oracle davon abhalten, z.B. eine zur JVM kompatible VM künftig in einer proprietären Version weiter zu optimieren, und dafür Geld zu verlangen. Die darf dann vielleicht nicht mehr Java heissen, aber mit genügend Marketing lässt sich da sicherlich was machen. Und die, die bisher darauf vertrauten, dass die JVM sich künftig immer einfach so weiterentwickelt, schauen in die Röhre.
Trotzdem halte ich die obige Aussage für übertrieben, vermutlich aus journalistischen Gründen, das klingt so formuliert natürlich schon ganz schön nach einem Reißer.
Die Kosten, die durch potenzielle Lizenzen von Oracle durch den Einsatz der JVM entstehen könnten, werden dann aber trotzdem nur einen geringen Teil ausmachen von dem, was ein Softwareentwicklungsprojekt – vor allem an Personal – kostet. Das ist in der .NET-Welt ja genauso: Es ist auch nur zum Teil freie Software und es ist in der Community ganz normal, für diverse (Microsoft)-Tools drumherum zu bezahlen. Nichtsdestotrotz bekleckert sich Oracle hier definitiv nicht mit Rum, siehe z.B. auch diesen Heise-Artikel, in dem sich die JUGs über dieses Verhalten beklagen.
Java ist innerhalb der letzten 15 Jahren ein dermaßen großes Monster geworden, das gar nicht anders kann, als weiterhin zu existieren. Java wird auch langfristig das kaum totzukriegende „Cobol von Morgen“ werden werden, davon bin ich überzeugt.
Aber für mich auch ganz klar: der eine oder andere wird sich durchaus gerade aufgrund des Verhaltens von Oracle, des Verstreuens von FUD, Alternativen ansehen und möglicherweise zu anderen Ufern wechseln. Ob es wirklich „viele“ sind, wie in obigem Artikel genannt, bleibt abzuwarten.
Egal wie es weitergeht, selbst wenn Oracle für künftige Versionen der JVM plötzlich Lizengebühren verlangt, ich denke, das stärkt insb. die Unterstützer freier Software und es bleibt zu hoffen, dass Projekte wie das OpenJDK sich genausogute Anwälte leisten können.
Oracle könnte, so wie sie mit den Patenten nun gegen Googles Dalvik schießen, auch gegen Microsofts CLR schießen – das habe ich aber nur auch irgendwo gelesen, vielleicht kennt sich dazu ein Leser besser aus? Microsoft soll allerdings auch in einer frühen Phase Patentabkommen mit Sun geschlossen haben, um sich genau davor zu schützen.
Aus Sicht des LessCoders gibt es dazu aber eine klare Aussage: Gerade unter diesem Aspekt macht es Sinn, sich nach alternativen offenen Programmiersprachen umzusehen.
Scala, Ruby und Python sind hier offensichtliche Beispiele: Scala läuft direkt auf der JVM und der CLR. Ruby läuft mit u.a. MRI oder YARV direkt in einer Laufzeitumgebung interpretiert, mit JRuby auf der JVM und mit IronRuby auf der CLR. (Hier ein kleiner aktueller Überblick dazu.) Und auch für Python gibt es ebenfalls alle diese drei Laufzeitumgebungen. Konkurrenz belebt eben das Geschäft…